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Stadtbild im 15. Jahrhundert

(Notizen vom Vortrag durch Herrn Manfred Finke
(Bürgerinitiative Rettet Lübeck - BIRL e.V.) am 7.3.2003)

Die Städtebauliche Entwicklung im mittelalterlichen Lübeck war im 14 Jahrhundert im Großen und Ganzen schon lange abgeschlossen. Bereits seit dem 13 Jhd. hatte Lübeck eine durchgehende Stadtmauer und die großen Sakral- und Profanbauten waren bereits errichtet. Die Macht der Hanse hatte bereits ihren Zenit überschritten.

Trotzdem gab es drei Aspekte, die zu einer erneuten Bautätigkeit in Lübeck im 15. Jhd. führten:

  • eine aufkommende Marienverehrung im ausgehenden Mittelalter
  • die Notwendigkeit zur Erneuerung einiger Großbauten
  • die Angst vor der zunehmenden Bedrohung durch die Dänen vor den Toren der Stadt

Bedeutender Ratsbaumeister Anfang des 15. Jhd. war Nicolas Peck (sprich: Peek). Von ihm stammen die meisten Bauten aus dieser Zeit. Darüber hinaus wurden auch Baumeister aus der Mark Brandenburg beauftragt, erkennbar an dem märkischen Baustil, der im ausgehenden Mittelalter das Stadtbild prägte.

Marientidenkapellen

Auch in Lübeck war die aufkommende verstärkte Verehrung der Jungfrau Maria ausschlaggebend für die Erweiterung vieler Kirchen um sogenannte Marientidenkapellen - Kapellen für die Verehrung der Mutter Gottes (Tiden = Zeichen).

In Lübeck geschah dies in fast allen Kirchen - darunter St. Marien, Dom, St. Petri, Ägidien. In St. Marien und im Dom wurden die Kapellen als Erweiterung in die Front hinter Altar und Chor vorgenommen. In St. Petri und in der Ägidienkirche war dies durch hinter der Kirche verlaufenden Straßen nicht möglich, so daß dort die Kapellen im Eingangsbereich eingefügt wurden.

Umbau der St. Petri-Kirche

Ebenfalls im 15. Jhd wurden in St. Petri größere Umbaumaßnahmen durchgeführt. Die bis dahin dreischiffige Kirche wurde um zwei weitere Schiffe zu einer der größten Hallenkirchen Europas umgebaut. Hierzu wurden die an der Nord- und Südfront liegenden Bürgerkapellen zusammengefaßt, die Zwischenwände herausgenommen und so mit der Innenraum der Kirche optisch erweitert.
Gleichzeitig wurden neue Fassaden mit großen Fenstern erschaffen, die im Prinzip noch heute in dieser Form erhalten sind. Es ist davon auszugehen, daß jedoch im unteren Teil der Fenster bunte Glasflächen eingesetzt waren.
Der Turm von St. Petri ist mit seinen vier Ecktürmen im Prinzip noch im historischen spätgotischen Stil erhalten. Lediglich bei der Restaurierung nach dem 2. Weltkrieg wurde mit der Aussichtsplattform ein Zwischenstock eingezogen, den es in der ursprünglichen Form nicht gab.
Nicht wieder restauriert wurde der pitoreske Dachreiter (ähnlich dem auf St. Marien). In diesen Dachreitern waren meist auch die Stundenglocken untergebracht, die den Bürgern der Stadt die Uhrzeit verkündeten.

Bau von St. Annen

Nachdem im 14. Jhd. das Kloster Rhena keine lübecker Töchter mehr aufnahm, wurde in Lübeck das St. Annen Kloster mit der zugehörigen Kirche gebaut. Es ist anzunehmen, daß die Kirche bedeutender war als heute allgemeinhin angenommen wird. Auf den Mauern der Klosterkirche wird heute die Erweiterung des St. Annen-Museums gebaut. Dabei werden die Mauerrest so weit wie möglich erhalten und integriert. Eröffnung im Mai 2003.Die kleinen Armenhäuser in der benachbarten Düvekenstraße (Teufelsstraße) sind heute noch erhalten. In damaliger Zeit nicht durch Hausnummer gekennzeichnet, sondern nach Vogelnamen benannt (z.B. Amsel, Fink, Meise etc.).

Burgkirche

Auf dem Gebäudekomplex der ehemaligern Lübecker Burg (heute Burgklostermuseum) errichtete Lübeck im 15. Jhd. eine prunkvolle Kirche der Dominikaner. Die Anlage hat neben Basilika und Chor für die Mönche ein recht eindrucksvolle Fassade (mit Elementen einer märkischen Architektur) und einen Turm und verstößt hiermit gegen die Auflagen für den Bau einer Kirche des Bettelordens. Auch im Inneren war die Kirche schmuckvoll gestaltet. Noch heute kann der aufwändig gearbeitete Ziegelsteinfußboden der Sakristei (heutige Herrenstube) im Museum bewundert werden.
Baumeister der Burgkirche war nicht der Stadtbaumeister Peck, sondern wahrscheinlich Brunsberg - ein Baumeister aus der Mark Brandenburg. Nach St. Marien und dem Dom war die Kirche die drittgrößte im Lübecker Stadtbild. Die heute im St. Annen Museum untergebrachten Statuen der törrichten und der klugen Jungfrauen stammen aus der Burgkirche. Von den prunkvollen Glasfenstern hat nur ein kleiner Teil die Jahrhunderte überlebt. Zwei Fenster sind heute in der Greveradenkapelle in der Marienkirche zu sehen (darunter eine Schlachtszene).
1818 wurde die Kirche abgebrochen und heute erinnert im Stadtbild nichts mehr an die damals an dieser Stelle vorhanden Kirche. Auf dem berühmten Holzschnitt von Deibel im 16. Jhd. ist di e Burgkirche mit ihrerm dominanten Turm und der Fassade zu sehen.

Sühnekapelle Maria am Stegl

Im Schatten der Marienkirche entstand Anfang des 15. Jhd. die kleine Kapelle - Maria zum Stegl. Der Name rührt von ihrer Eigenschaft als nordwestlicher Zugang zum damals völlig umbauten Marienkirchhof. Durch einen Durchgang/Steg konnte man in den Kirchhof (zu der Zeit Begräbnisstätte) gelangen. In dem Durchgang war auch das Marienbild angebracht, für dessen Verehrung die Kirche gebaut wurde.
Die Kirche wurde 1407 gestiftet und soll schon 1412 fertig gestellt worden sein. Die Kapelle war schlicht und in einer für Norddeutschland typischen glatten Fassade mit hohen gotischen Fenstern gehalten.
In späteren Jahren wurde sie zu einem Kaufmannslager umgebaut. Zwar beschädigt durch das Feuer im 2. Weltkrieg stand die Kapelle noch lange ungenutzt in der oberen Mengstraße/Ecke Schüsselbuden. Nach Sturmschäden im Jahr 1967 wurde sie dann abgerissen, um auch die Erweiterung der oberen Mengstraße zu ermöglichen.
Heute erinnert an die Kapelle lediglich ein Schaukasten mit Modell an dem sonst unbebauten Platz.

Rathauserweiterung

Zwar hatte Lübeck seit geraumer Zeit ein funktionierende Rathaus - dennoch kam es im 15.Jhd. zu Platzproblemen und so wurde im 15.Jhd. das Rathaus durch Nicolas Peck erweitert und umgebaut.
Bereits seit 1340 war im Obergeschoß des Hauptgebäudes der großzügige Hansesaal fertiggestellt. Zu damaliger Zeit diente er als eine Art Kongreßzentrum für die Hanse, bevor er in der Neuzeit in kleine Büros aufgeteilt wurde.
Das komplette Erdgeschoß war im Mittelalter an Händler vermietet, die in den Buden und Rämlichkeiten ihren Marktgeschäften nachgingen. Nur die oberen Stockwerke waren der Stadt vorbehalten.
Peck gestaltet zum einen das damalige Rathausgebäude neben der Marienkirche um (heute mit Renaissancevorbau). Er integrierte einen weiteren Turm in der Fassade und fügt die heute so charakteristischen Windlöcher in das Bild der Fassade ein, die aber lediglich eine Schmuckfunktion haben. Weiterhin wird das Ratshaus um den Gebäudeteil der Ratswaage (seit dem 16. Jhd. bekannt als Kriegsstubenbau) erweitert. Auch hier arbeitete Peck mit den bereits aus der Hauptfassade verwendeten Türmeoptik, die mit ihren markanten Wetterfähnchen auch noch heute weitgehend erhalten sind (wenn auch zum großen Teil ausgebessert).
Auf der Vorderseite (über der Renaissancetreppe) ist der markante Waffelfries zum großen Teil noch original erhalten.

Kaak

In unmittelbarer Nähe zum Rathaus wurde ebenfalls im 15. Jhd. der Kaak erichtet. Bereits voll unterkellert, hatte er zwei Funktionen. Im Erdgeschoß waren die Butterbuden ansässig - Marktbuden in denen Butter verkauft wurde (die wahrscheinlich im Keller gelagert war). Das obere Stockwerk diente als Finkenbauer - eine Art Pranger, in der Strafauffällige zum Spott der Bevölkerung einige Zeit verbringen mußten. Der heutige Kaak steht nicht mehr an der originalen Stellen. Im Zuge des Bau des südlichen Marktriegels wurde er um ca. 10 m weiter ins Marktinnere versetzt - bzw. neu aufgebaut.

Burgtor und Burgtorfront

Das Burgtor und das noch heute erhaltene Stück der Stadtmauer wurden bereits im 12. Jhd. durch Heinrich den Löwen errichtet.
Um 1450 legte Stadtbaumeister Nicolas Peck Hand an den Turm über dem damals einzigen Torbogen. Der Turm über dem Tor wurde überhöht und die Fassade nach dem damaligen Geschmack neu gestaltet. Von diesem Tor aus wurde der Zwinger hinzugefügt, der das äußere und das mittlere Tor (das heutige Burgtor) miteinander verband - der Zwinger ist ein gemauerter Weg.
Ebenfalls von Peck wurde zu dieser Zeit auch das äußere Burgtor mit einer Schildwand ähnlich der Fassade am Rathaus erbaut. Bis heute hat lediglich das mittlere Burgtor die Jahrhunderte überstanden. Noch heute sichtbar der auffällige Wappenfries, wie er auch am Rathaus zu finden ist. Das Vorhandensein von Wappen an der Fassade deutet darauf hin, daß man sich damals in Friedenszeiten befand - die Wappen wurden quasi an die Wand gehangen und dienten nicht zur Verteidigung im Kampf.

Blauer Turm

Ein einst dominantes Bauwerk im Lübecker Stadtbild, daß heute nicht mehr vorhanden ist. Der Blaue Turm, der wegen des Schieferdaches zu seinem Namen kam, war Bestandteil der Stadtbefestigung. Er stand an der Untertrave, in Höhe der heutigen Fußgängerbrücke zur Musik- und Kongreßhalle.

Äußere Stadtbefestigung und Holstentor

In der 2. Hälfte des 15. Jhd. wird der dänische König zu einer zunehmenden Gefahr für die Stadt. Aus diesem Grunde wird im Westen der Stadt der Hafen um eine äußere Wallanlage erweitert.
Auf der heutigen Wallhalbinsel (Standort der Musik- und Kongreßhalle) wurde ein hoher Wall aufgeschüttet, der in regelmäßigen Abständen mit Wachtürmen versehen war. Auf den Stifter und Geldgeber Brohling (damaliger Bürgermeister von Lübeck) ging der Name Brohlingwall zurück. Doch auch andere reiche Lübecker wie Plönnis trugen Ihren finanziellen Teil zur Stadtbefestigung bei. Durch diesen Wall wurde der Hafen geschützt.
Als Durchgang wurde ebenfalls um 1460 das noch heute stehende Holstentor errichtet. Jenseits der Brücke über der Trave war es das mittlere von ingesamt drei Toren. Das äußere wurden jedoch erst im 16. Jhd. errichtet. Näherte man sich von Westen der Stadt, mußte man erst das äußere (im Renaissancestil erbaute) Tor passieren, dann durch den Zwinger das mittlere (heutige) Hostentor, um dann über die Brücke zum inneren Stadttor (am Fuße der heutigen Holstenstraße ) zu gelangen. Links und rechts des heutigen Holstentores schlossen sich dort wo heute der Autoverkehr fließt die Wallanlagen direkt an.
Die Stadtseite des heutige Tores ist mehr oder weniger noch in der Originalansicht erhalten. Die Außenfront wurde jedoch mit den Jahren etwas umgestaltet. Ein Bild der Außenfront im Original ist heute noch auf einem Altarbild im St. Annen-Museum zu sehen. Die Türmchen waren z.B. mit goldenen Kugeln versehen. Auffällig ist, daß die Außenfassade mit nur kleinen Schießscharten versehen ist, während die Stadtseite mit großen Fensterfronten prunkvoll gestaltet ist. Dies offenbahrt die Schutzfunktion, zu der das Tor erbaut wurde.

Bürgerliche Bauten

Trotz flächendeckender Besiedelung der kompletten Stadtinsel wurden im 15. Jhd. auch noch einige Bürgerhäuser gebaut bzw. erneuert, die noch heute im Stadtbild erhalten sind.
Am Koberg 2 (dem heutigen Hogehus) wohnte Stadtbaumeister Peck selbst. Beeindruckend ist heute noch vor allem die Rückansicht des Hauses, die über den Hof besichtigt werden kann.
Im ähnlichen Stile ist das Haus in der Petergrube 15 noch heute zu sehen oder das Eckhaushaus Königstraße/Dr. Julius LeberStr. ggü. Karstadt (heute Bäckereifiliale).
Diese zu Straße hin recht hohen Bauten waren jedoch kein Wohnraum, sondern dienten dem Handel und waren weiträumige Lagerflächen. Gewohnt wurde meist in kleineren Flügelbauten, die an die Lager und Speicher anschlossen. Die für Lagerhäuser recht prunkvolle Fassaden mit Friesen und hohen Spitzbögen zeugten von der Solvenz der Eigentümer.

Zusammengefasst von Heike Schlachter