achdem allgemein beklagt wurde, daß das gemeine Volk die vier wichtigsten Gebete nicht recht sprechen konnte, ließ Nikolaus von Kues oder Nicolaus Cusanus (1401 – 1464), seit 1448 Kardinal, seit 1450 Bischof von Brixen, in vielen Kirchen der deutschen Lande Tafeln aufhängen, auf denen diese Gebete in der jeweiligen Landessprache geschrieben standen. Nicht nur zum Lesen, sondern besonders auch zum Vorlesen.
Die Umlaute sind beim Lesen zu ergänzen; u im Inlaut muß je nachdem als u, w oder auch als ü gelesen werden, v im Anlaut als u oder f, und y überall als i.
Jk loue jn got vader
Alweldig schepper
Des himmels vnde der erden
Vnde jn jesum cristum
Synen enygen sone vnsen heren
De entvangen js van dem hilgen geyste
Geboren vt marien der junkvruwen
De geleden heft vnder poncio pilato
Gecruciget js. Gestoruen
Vnde begrauen wart
Neddersteych to den hellen
Des dorden dages
Wedder vpstund van den doden
He js to den himmelen gevaren
Vnde sit to der vorderen hant goddes
Des almechtigen vaders
Van dar js he wedder komende
To richtende de leuendigen vnde de doden
Jk loue jn den hilgen geyst
De hilgen kristene kerke
Meynschop der hilgen
Vorgeuinge der sunde
Vpstandinge des vleysches
Vnde eyn ewich leuent Amen.
Bouen alle dink hebbe lef eynen got
Nicht jdelyken swere noch jn spot
Vyre de hilgen dage alle gader
Ere moder vnde vader
Mit willen efte mit werken sla nemanne dot
Stel nicht wan hestu not
Buten dem echte do nene vnkuscheyt
Segge van nemannes valscheyt
Begere van nemannes beddegenot
We nicht enholt desse teyn gebot
De mag nummer komen to got
Nach Hans Jürgen Rieckenberg, Die Katechismus-Tafel des Nikolaus von Kues in der Lamberti-Kirche zu Hildesheim, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, Hg. Horst Fuhrmann, Hans Martin Schaller, 39. Jahrgang, Köln Wien 1983
Nachträglich hier an einigen Stellen der lübischen Sprache angepasst unter Verwendung von: Agathe Lasch, Mittelniederdeutsche Grammatik, 2. unveränderte Auflage, Tübingen 1974,Schiller-Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, Bremen 1875
Bild, rechts unten: Robert Campin
Lukas 1.28 Gegrüßet seist du Maria voll der Gnade - Robert Campin, * um 1375 † 1444
Mérode-Altar, New York, The Metropolitan Museum of Art